Historischer Hintergrund und Begrifflichkeit der Genossenschaft

Daniel Hermes

Der Autor

Historischer Hintergrund und Begrifflichkeit der Genossenschaft

Das Genossenschaftswesen ist kein neuartiges Phänomen – ganz im Gegenteil! Genossenschaften sind historisch fest in unserem Rechtssystem verwurzelt. Die ersten Ursprünge des Genossenschaftswesens reichen tief in die germanischen Schutzgemeinschaften zurück. Die genossenschaftliche Bodenordnung stammt aus dem 10. Jahrhundert und ist in einigen Gebieten bis in die frühe Neuzeit erhalten geblieben. Ein Beispiel hierfür ist die Schweiz. Das Gesamthandelseigentum der Mitglieder eines solchen dörflichen Personenverbandes, auch Siedlungsgemeinschaft genannt, bildete die Allemande. Dies war für jedermann nutzbares Gemeindeland neben dem Allodium genannten Sondereigentum der einzelnen Mitglieder. Nutzungsberechtigt war jedes Mitglied zum gleichen Teil.

Auch im Mittelalter war das Genossenschaftswesen ein fester Bestandteil der Gesellschaft. Hiervon zeugen Deichgenossenschaften, Handwerkerzünfte und Kaufmannsgilden, die neben ihrer wirtschaftlichen Funktion der Existenzsicherung auch politische, religiöse und karitative Aufgaben innehatten. Jedoch verloren diese „Unternehmensstrukturen“ durch die Gewerbefreiheit zunehmend an Bedeutung. In der frühen Zeit der Industrialisierung verstärkte sich der Marktdruck auf kleine und mittlere Betriebe und Existenzprobleme nahmen zu, da industriell gefertigte Produkte, auch aus weit entfernten Regionen, lokale Handwerksbetriebe bei der Versorgung der Bevölkerung verdrängten. Ein Zusammenschluss dieser Betriebe wurde somit zwingend notwendig, um marktfähig bleiben zu können.

Die Lösung für dieses Problem war eine Neubelebung des Genossenschaftswesens, welches sich so im 19. Jahrhundert endgültig etablierte. Bekannter Vertreter dieser Zeit ist beispielsweise Schulz-Delitzsch, der 1894 die ersten Rohstoffassoziationen der Tischler und Schuhmacher gründete. Der wohl bekannteste und wichtigste Vertreter war Raiffeisen, welcher 1862 den ersten Darlehnskassenverein gründete. Darauf folgte die schnell ausbreitende Etablierung von Kredit- und Einkaufsgenossenschaften.

Durch die gewinnende Popularität der Genossenschaften wurden diese erstmalig im preußischen Gesetz vom 27.03.1867 verankert, das mit Änderungen am 04.07.1868 als norddeutsches Bundesgesetz verkündet wurde. Dieses Gesetz bildete das Fundament des heutigen Genossenschaftsrechts. Folglich ist die gesetzliche Verankerung des Genossenschaftswesens sogar älter als das BGB. Die vollständige Kodifikation wurde durch das Gesetz betreffend der Erwerbs- und Wirtschafts-Genossenschaft vom 01.05.1889 umgesetzt. Auf dieses folgten Reformen, zu deren elementarsten die Novelle von 1973 sowie das Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20.12.1993 zählt, welches die Führung der Mitgliederliste auf die Genossenschaft selbst verlagerte und in der Verkündung des neuen Genossenschaftsgesetzes mündete.

Doch die Popularität des Genossenschaftswesens hielt zunächst nur bis 1933 an. Dies begründet sich darin, dass die demokratischen Grundstrukturen der Genossenschaft mit dem hierarchischen nationalsozialistischen Grundgedanken nicht vereinbar waren und infolgedessen der umsichgreifenden Gleichschaltung zum Opfer fielen. Doch schon in der sich anschließenden Nachkriegszeit wendete sich das Blatt wieder und man besann sich der Vorteile des Genossenschaftswesens. Verstärkt wurde diese Bewegung durch die Gründung des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde gem. neuerlicher Anforderungen die jüngste Justierung erforderlich. Es wurde das Gesetz zur Einführung der europäischen Genossenschaft einhergehend mit der Änderung des Genossenschaftsrechts vom 14.08.2006 neu verankert, welches zudem auch attraktive Erleichterung für sog. „kleine Genossenschaft“ schaffte. So ermöglicht eine europäische Genossenschaft etwa einen Zusammenschluss mehrerer Genossenschaften mit Sitz in verschiedenen Ländern. Seinen vorläufigen Höhepunkt erlebte das Genossenschaftswesen in der Erhebung der Genossenschaftsidee zum immateriellen Kulturerbe – gewissermaßen dem in Stein gegossenen Ritterschlag und Alleinstellungsmerkmal unter den vielfältigen Gesellschaftsformen.

Fazit:

Das Genossenschaftswesen blickt auf eine beeindruckende Geschichte zurück, die bis in die frühen germanischen Gemeinschaften reicht. Über die Jahrhunderte haben sich Genossenschaften immer wieder als wertvolle Organisationsform bewährt – von mittelalterlichen Zünften bis hin zu modernen Kredit- und Einkaufsgenossenschaften. Besonders spannend: Die Genossenschaftsidee wurde sogar als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Diese Tradition zeigt, dass Genossenschaften nicht nur historisch bedeutend, sondern auch heute noch relevant und zukunftsweisend sind. Entdecken Sie die Vorteile und die einzigartige Stärke des genossenschaftlichen Modells!

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